Schlagwort-Archive: Angelman Syndrom

Zu viel Geld – was tun?!

Ein Ratgeber, den ich neulich gelesen habe, hat behauptet, man soll ja nicht sagen, man ist arm, denn dann ist man das auch und wenn man einmal arm ist, dann bleibt man statistisch gesehen auch meistens arm – ein Leben lang. Man könne stattdessen sagen, man ist vorübergehend pleite.  Oder man sagt gleich, man ist reich.

„Wir sind reich, Tiger, denn wir haben alles was wir brauchen“, möchte ich hier nach Janosch zitieren.

Unsere Familie ist reich, denn wir haben alles was wir brauchen. Wir sind auch nicht vorübergehend pleite. Dennoch bräuchten wir jetzt, sowie alle anderen Familien mit einem Kind mit Angelman Syndrom, eure Unterstützung:

In der letzten Zeit hat die Forschung enorme Fortschritte gemacht – das gibt uns die Hoffnung, dass das Angelman Syndrom, von dem auch unsere Tochter Hela betroffen ist, die erste geistige Behinderung sein wird, dessen Ursache behoben wird! Stellt euch vor, wir könnten dann vielleicht nachts schlafen! Vielleicht könnten wir mit unserer Tochter reden – sie könnte uns erzählen, dass ihr der Zahn weh tut und sie der neue Junge im Kindergarten ärgert! Vielleicht würde sich ihre Motorik so weit verbessern, dass sie aus einem normalen Becher und ganz normal mit Besteck selbst essen könnte, ohne dass wir es jahrelang mühsam üben müssten. Vielleicht müsste sie nicht mehr unter epileptischen Anfällen leiden. Vielleicht würde sie vergessen, wie es ist, immer wieder mit Blaulicht ins Krankenhaus zu fahren. Und vielleicht würde auch ihr Bruder nie wieder Sätze im Auto sagen müssen, wie: „Ach ja, den Weg kenne ich, den sind wir gefahren, als Hela im Krankenhaus war, weil sie nicht atmen konnte…“ Jeder Punkt von dieser Liste – ein Wunder, von dem wir kaum wagen zu träumen! Ein Wunder, der aber mit jedem gespendeten Euro wahrscheinlicher wird! Auch Jürgen Vogel hat dazu ein paar Worte:

https://wachgekuesst.force.com/s/

Mehr Infos, sowie die Möglichkeit die Wachgeküsst-Kampagne zu unterstützen findet ihr hier.

Vielen Dank!!!

International Angelman Day 2019

International Angelman Day„Zu Ihrem Baby gibt es noch etwas dazu!“, stand auf dem Flyer unserer Krankenkasse, der uns nach der Geburt unserer Tochter ausgehändigt wurde. Was die Krankenkasse meinte, war ein Baby-Schlafsack und noch einige Extras dieser Art. Was nicht im Flyer stand und was niemand zu jenem Zeitpunkt geahnt hat, war das Angelman Syndrom, von dem unsere Hela betroffen ist.

Das Angelman Syndrom ist ein genetischer Defekt auf dem 15. Chromosom zu dem ihr mehr Infos hier sowie auf der Website vom Angelman Verein findet. Am 15. Februar findet der International Angelman Day statt– ein Tag, der auf das Syndrom aufmerksam machen soll.

Obwohl mittlerweile fast 3 Jahre seit der Diagnose vergangen sind, fällt es mir immer noch schwer eine Zusammenfassung zu schreiben, wie das Angelman Syndrom unser Leben verändert hat. Es gibt Tage, wo ich denke, dass unser Leben völlig normal ist. Ich zucke immer noch jedes Mal erstaunt zusammen, wenn unsere Tochter als „schwerbehindert“ bezeichnet wird – für uns ist sie ein ganz normales Mädchen, nur halt etwas anders als die anderen.

Angelman Syndrom und Wasser

Typisch Angelman: Wasserliebe

Dass wir uns seit der Diagnose verändert haben, stelle ich immer wieder fest. Zum Beispiel, wenn wir einen Wasserschaden und dadurch ein ziemlich unbenutzbares Badezimmer als ein leicht zu lösendes Problem mittleres Kalibers einstufen. Verglichen mit den epileptischen Anfällen, unter denen unsere Hela gelitten hat, als der Wasserschaden entstanden ist, schien das ruinierte Badezimmer eine 1+1 -Geschichte zu sein: Man wusste genau, was gemacht werden muss. Es gab mehrere Personen, die es machen konnten. Es war doof und lästig aber alles in allem nur eine Frage der Zeit, bis alles wieder behoben ist. Im Fall der Epilepsie ist das anders, denn hier weiß eigentlich niemand, was helfen wird – es gibt keine endgültige Lösung des Problems.

In den letzten drei Jahren haben wir eine andere Perspektive auf das Leben gewonnen: wir haben gelernt Kleinigkeiten klein zu halten. Nicht immer aber meistens. Schwarzen Humor habe ich schon immer sehr geschätzt, jetzt lachen wir oft über Sachen, die uns noch vor einigen Jahren Angst gemacht hätten. Wie neulich, als wir bei einer Kinder-Reha-Ausstellung nach einem neuen Buggy für unsere Tochter gesucht haben. Beim Vorbeilaufen an einem Stand mit Kinderprothesen meinte unser Sohn: „Mama, wenn ich einen Arm verliere, dann möchte ich eine rote Prothese – rot ist meine Lieblingsfarbe. Und wenn ich mein Bein verliere, dann kauf mir eine Prothese mit einem Haken. Dann kann ich gut auf die Eisberge klettern“. Ich fand es eher lustig als makaber. Der Gedanke, dass wir ohne Angelman Syndrom gar keinen Buggy mehr für unsere bald 4-jährige Tochter bräuchten, ist bei mir im Kopf nicht willkommen.

Und hier findet ihr mehr lesenswerte Blogs und Texte aus dem Leben anderer Angel-Mamas

Aus Deutschland:

https://sharidietz.com/international-angelman-day-15-februar-2019/

Aus der Schweiz:

https://www.juliadellarossa.ch/angelman-verein-schweiz/internationaler-angelman-day/

https://www.stadtlandmama.de/content/interview-mit-melanie-meine-tochter-hat-das-seltene-angelman-syndrom

Aus Österreich:

https://www.angelman.co.at/

Aus Polen:

http://www.naze.pl/index.html

Krieg der Welten – mit Status Epilepticus ins Krankenhaus

Über Krankheiten und die moderne Medizin

Hela ist 2 und hat das Angelman Syndrom. Während gleichaltrige durch die Spielwiesen hopsen, widmet sie sich lieber scharfsinnigen Beobachtungen und stellt sich unerschrocken diversen Fragen philosophischer Natur. Könnte sie sprechen, würde sie möglicherweise das hier über ihre Epilepsieanfälle und den Status Epilepticus, der sie ins Krankenhaus auf die Intensivstation brachte sagen…

Ich mag vielleicht erst zwei Jahre alt sein aber über Ärzte und Krankheiten kann ich schon einiges sagen. Ärzte sind meistens feine Menschen. Häufig sind sie Idealisten: sie wollen die Welt verbessern. Sie wollen den Menschen helfen und die Krankheiten bekämpfen. Das ist wirklich löblich, allerdings musste ich in der letzten Zeit feststellen, dass dieser Kampf oft an meinem Körper ausgetragen wird. Die Viren, Bakterien oder die syndrombedingten Symptome greifen an und die Medizin versucht sie mit diversen Waffen abzuwehren.

Je heftiger die Attacke der Krankheitswelt, desto größer das Aufgebot der Medizin. Bei einem einfachen Schnupfen, wird ein Nasenspray in meiner Nase abgefeuert. Steigt bei mir das Fieber, kommen das Thermometer und die fiebersenkenden Mittel zum Einsatz. Wie ihr wahrscheinlich ahnt, ist das nur der Anfang einer langen Liste – nach oben gibt es elend viel Luft. Denn ein Nasenspray ist für die Medizin, was ein Umstandsuniform für schwangere Soldatinnen für das Militär ist – eine gute Sache aber Kriege gewinnt man mit anderen Mitteln.

mit Epilepsie ins Krankenhaus
Eine unabhängig von dem Text und den beschriebenen Vorkomnissen von Emil gestaltete Spielfigur

Das Militär hat Kasernen und Stützpunkte, Medizin hat ihre Krankenhäuser. Militär hat Hubschrauber, Medizin auch. Militär hat Panzer, Medizin hat Krankenwagen. Würde man das Waffenarsenal des Militärs und das der Medizin vergleichen, da bin ich mir sicher, dass Medizin mit Abstand gewinnen würde. Beide haben hierfür ihre High-Tech-Zulieferer, die spezielle Waffen eigens für das Militär bzw. Medizin herstellen. Schwer zu verstehen ist nur, dass weder die Armee noch die Krankenhäuser sie sich leisten können. Über die Preise der Militärprodukte weiß ich nicht viel, aber ich vermute, wer je einen Therapiestuhl aus eigener Tasche zahlen musste, könnte sich für dieses Geld auch einen kleinen Leopard II-Panzer mit 120 mm Glattrohrkanone leisten.

Es erscheint mir nur folgerichtig, dass unsere jetzige Verteidigungsministerin eine Ärztin von Beruf ist.  Militär und Medizin nehmen sich eben nicht viel. Die einen wie die anderen wissen, was ein harter Kampf ist.

Status Epilepticus

Ich weiß das auch schon, insbesondere nachdem für die neuste Schlacht im Krieg der Welten erneut mein Körper als Arena benutzt wurde. Diesmal eröffnete das Feuer ein minderer Infekt, als erstes Feuergefecht sozusagen. Der Infekt hat sich aber überlegt, als defensive Kampftaktik Fieber zur Unterstützung zu holen und das Fieber ist in unserem Fall ein enger Verbündeter der Epilepsie. Diese ging in die Volloffensive, griff mit brachialer Wucht an und ließ mich einfach nicht los. Die Maßnahmen, mit denen der Notarzt und die Sanitäter mich verteidigt haben, reichten nicht aus, auch wenn sie einiges an Medizinwaffen dabei hatten und nicht gezögert haben einzusetzen. Sie beschlossen mich ins Krankenhaus zu bringen, wo solche Kriege ja entschieden werden.

Dort wartete schon auf mich ein kleines Bataillon von Ärzten, Krankenschwestern und sonstigem Personal. Als ich eintraf, rief eine aus ihren Reihen:

„Da kommt der Status epilepticus!“ und meinte damit mich. Ich wusste, das war eine Kampfansage: die Medizin fängt jetzt den Frontalkampf an. Ich habe Angst gekriegt und ging erneut mit Epilepsie in Deckung.

Mit Status Epilepticus ins Krankenhaus

Als ich aufgewacht bin, war die Schlacht vorbei. Ich war in einem Raum voller Knöpfe, Bildschirme und Kabel, ganz wie in einem Raumschiff aus dem Bilderbuch von meinem Bruder. Mein Kopf, mein Brustkorb und mein großer Zeh waren an Monitore angeschlossen. In meinem Körper waren nun mehrere Einschusslöcher. Ich fühlte mich, wie ein Schlachtfeld sich eben nach einer Schlacht fühlt. Wach zu sein war jetzt kein Vergnügen, wirklich nicht. Daher machte ich meine Augen wieder zu und beschloss die nächsten Tage zu verschlafen.

Auf der Intensivstation

Was die Sicherheit im Kampf gegen die Krankheitserreger angeht, glich die Station, auf der ich mich befand, einem Atombunker. Alles wurde desinfiziert, sterilisiert und sauber gemacht, damit sich ja nicht mal das kleinste Virus da einschleust. Das Personal hat sich die Hände so oft desinfiziert und gewaschen, dass es fast ein Wunder ist, dass sie überhaupt noch von Haut bedeckt waren. Mein großer Bruder, ein Kindergartenkind und damit ein potenzieller Anführer der Schleuserbande für Viren und Bakterien, wurde auf die Station gar nicht erst hereingelassen. Ständig wurde da auch patrouilliert. Die Krankenschwestern, die Ärzte, dauernd kam jemand vorbei und kontrollierte, ob die Epilepsie keinen Hinterhalt oder Gegenschlag vorgenommen hat. Und am nächsten Tag kam die Visite.

Die Visite ist so etwas wie eine Stabsbesprechung bei der Armee. Man kennt das ja aus dem Fernsehen – Generäle und andere wichtige Menschen stehen am großen Tisch auf dem eine Landkarte ausgebreitet ist. Sie planen die nächsten Züge und sprechen ihre Strategie ab. Die Visite ist eigentlich das Gleiche, nur dass ich dann wieder die Rolle der Landkarte übernehmen muss. Die Visite wird von einem besonders erfahrenen Arzt angeführt und zieht mit Schwung durch alle Zimmer auf der Station. An jedem Patientenbett wird überprüft, wie die Lage an diesem Frontabschnitt ist und was für Maßnahmen die Mediziner ergreifen um die Frontlinie zu stabilisieren oder gar den Kampf an dieser Stelle erfolgreich zu beenden.

Die Uniforme der Mediziner

Alle Mediziner tragen ihre Uniformen. Es gibt welche in blau und manche in grün. Was allerdings keiner Uniformpflicht unterliegt sind die Schuhe. An den Schuhen kann man das Alter und oft auch den Rang des Mediziners unschwer erkennen. Die älteren Ärzte tragen immer sehr unauffällige Schuhe. Ihre Schuhe sind oft dermaßen unauffällig, dass wenn man nach der Visite überlegt, welche Schuhe der Arzt getragen hat, kann man nur aufgrund der bisherigen Erfahrung sagen, dass er überhaupt welche anhatte. Die jungen Ärzte hingegen (und manchmal auch die hippen Krankenschwestern) tragen Sportschuhe in knallbunten Farben: rosa, türkis, kanarienvogelgrün. Die Farbpalette ist wirklich beachtlich, die Marke der Schuhe jedoch fast immer gleich. Die meisten entscheiden sich, wie man es von  jungen aufstrebenden Ärzten erwarten würde, für die Marke, dessen Name für die griechische Göttin des Sieges steht: Nike. Die bunten Schuhe sollen sie zum Sieg tragen. Von mir aus gerne. Ich bin sehr für den Sieg der Medizin, denn ich bin der ständigen Kämpfe bereits jetzt schon satt.

Nun kommen wir zu meinem eigentlichen Anliegen. Ich habe eine große Bitte an die Krankheiten, an die Ärzte und Mediziner: Grundsätzlich bin ich für den Frieden aber wenn ihr schon irgendwo kämpfen müsst – geht bitte in die Forschung! Lasst meinen Körper in Ruhe. Eine Petrischale oder ein Computer geben doch auch exzellente Schlachtfelder ab. Ich danke euch im Voraus.

Eure Hela

Wenn du mehr darüber erfahren willst, warum ich so häufig an dem Krieg der Welten teilnehmen muss – also mehr über das Angelman Syndrom lesen willst, geh bitte zur Seite mit Infos zum Angelman Syndrom