Ich kann mich einfach nicht zurückhalten und schaue in jeden Kinderwagen rein. Eigentlich in der Hoffnung auch andere Babies und Kinder zu sehen, die anders sind. Aber nein. Sie sitzen, betrachten mich und das Geschehen auf der Straße ganz aufmerksam und neugierig, manche lächeln oder plappern. Manche quengeln. Manche schlafen. Manche lutschen am Daumen. Manche essen etwas. Alle gesund.
Neulich war ich wieder in der Alten Pinakothek. Vor den Gemälden betrachten Menschen von heute Menschen von damals. In den ersten Sälen hauptsächlich Maria mit Kind. Für mich nach einigen Minuten nur noch Maria mit Kind. Ich laufe vom Bild zu Bild und vergleiche – wo kann das Kind schon sitzen, wo kann es schon stehen, sind die Maße altersgemäß? Sieht man im Gesicht etwas, was auf ein Syndrom schließen lässt? Sieht das Kind gesund aus? Ich werde oft fündig – hier ist das Kind eindeutig zu groß, hier hat es einen deformierten Kopf, hier sitzt es sehr unstabil. Bei Dürer sieht es generell mit den Menschen düster aus – seine Lukretia, die gerade versucht Selbstmord zu begehen, musste auf jeden Fall irgendetwas gehabt haben. Ebenso das Christkind von Muttergottes mit der Nelke. Überall winken mir eingerahmte Hinweise auf neurologische Störungen zu.
Die Neue Pinakothek beruhigt mich wieder ein paar Tage später. Van Gogh mit seiner Depression, der kleinwüchsige Toulouse-Lautrec und die anderen Impressionisten mit all ihren Problemen, die Sinnfragen der Jahrhundertwende, da fühlt man sich einfach in bester Gesellschaft. Und gleich im ersten Saal sitzen die alten Lebensmüden, die dann einen daran erinnern, dass das Leben kurz ist, zu kurz um es für das Unglücklichsein zu verschwenden.