„Denn die anderen Kinder laufen schon ohne Windel…“, „Meine Tochter bereits mit 2!…“, „Hat bei uns 2 Wochen gedauert…“, „So von heute auf morgen wollte er einfach keine Windel mehr“. Solche Sätze tauchen in der letzten Zeit oft und immer öfter in unserem Alltag auf.
Der dritte Geburtstag von Emil ist schon längst vorbei, er ist auch ganz offiziell ein Kindergartenkind aber Ende der Windelzeit ist noch nicht abzusehen. Wahrscheinlich müsste bei uns ein Töpfchenmeteorit einschlagen, sonst sieht es mit der Windelabgewöhnung düster aus… Nicht, dass wir es nicht versucht hätten – das erste Mal klassisch während der Sommertage. Da kann man gut ohne Windel herumlaufen, Pipi machen aufs Gras und selbst wenn die Hose etwas nass ist, droht nicht sofort die Unterkühlung der unteren Extremitäten. Im Sommer also beschließe ich, dass es soweit ist. Laut Beschluss ist unser Sohn reif für den Abschied von der Windel. Stundenlang suche ich nach einem passenden Töpfchen online und stelle fest, dass der Gegenstand, der wie ein einfaches Gefäß aus Plastik aussieht ein beinahe so komplexes Thema darstellt, wie ein Kinderwagen. Eine Wissenschaft für sich. Tausend Modelle. Mit Melodie, mit Spülfunktion, anatomisch geformt, ergonomisch geformt, unterschiedlich groß, mit Spritzschutz, mit Rutschschutz, wie ein Seehund oder auch ein Bobby-Car aussehend, mit I-Pad-Halterung (!), mit besonders hoher Lehne und überhaupt vielleicht doch ein besonderer Kloaufsatz für Kinder – mit Treppe oder auch ohne. Die Internetforen platzen förmlich von Eintragen zum Thema Töpfchenwahl. Manche sind zu klein, manche nicht für Jungs, manche zu niedrig, ein Modell sogar lebensbedrohlich – ein Kind hat sich auf den Spritzschutz so unglücklich fallen lassen, dass es dann operiert werden musste… Und dann gibt es noch dieses sündhaft teure High-Tech Ding, das praktisch alles macht, außer Kacka und Pipi selbst zu produzieren…
Nach sage und schreibe drei Abenden, die ich damit verbracht habe, mir Hunderte von Töpfchen anzuschauen, entscheide ich mich für das Modell Seehund. Es sieht lustig aus UND es spielt eine Melodie. Die Melodie ist sicher – ich habe nachgeschaut. Es wird nicht, wie bei manchen anderen Modellen Happy Birthday gespielt. Somit laufen wir nicht die Gefahr einer besonders unglücklichen Konditionierung. Modell Seehund wird bald geliefert. Ich führe es dem Kind vor und versuche dabei möglichst viel Begeisterung zu generieren – es ist ja das ultimative Töpfchen! Schließlich habe ich Stunden damit verloren, genau dieses Modell zu wählen. Kind setzt sich aufs Töpfchen.
„Prima! Fantastisch! Und gleich passiert was und dann kommt die Melodie!“. Es passiert tatsächlich was, die Melodie kommt nicht. Kind ist enttäuscht und verliert Interesse am Seehund. Seehund landet neben dem Töpfchen Nummer 1, das wir zusammen mit dem Kind im Laden ausgesucht haben. Auch daran hat das Kind Interesse verloren, sobald wir den Laden verlassen haben…
Nach einigen Wochen von hartem Töpfchenkampf, (Aber bloß ohne Stress! Mit ganz viel Lob und Ermunterung! Und bitte ganz sicher ohne Druck!) stapelt sich in unserem Badezimmer ein kleiner Töpfchenberg. Modell Seehund kriegt noch ein weiteres Melodie-Modell auf den Kopf (auch bei diesem Modell funktioniert die Melodie nur ein einziges Mal – beim Test im Laden) sowie noch zwei weitere Modelle. Kein Töpfchen ist gut genug. Kein Töpfchen spannend genug, um unser Kind dazu zu bringen, sich überhaupt darauf niederzusetzen. Ich gebe auf und lasse die Staubmilben sich auf die Töpfchen niederzusetzen. Es kommt, wenn es kommt. In den Lebenslauf muss man das zum Glück noch nicht reinschreiben.
Als ich meine Mami-Runde in der Zwischenzeit wieder treffe, stellt es sich heraus, dass mein Sohn nicht der einzige Töpfchenverweigerer ist. Wir tauschen Tipps, Meinungen und einige Zweifel aus. Normalerweise versuche ich das Thema nicht in Emils Anwesenheit zu diskutieren – ich würde ja letztendlich auch nicht wollen, dass man meine Klogewohnheiten öffentlich bespricht. Die Kinder sind aber mit der Spielküche beschäftigt, kochen munter vor sich hin und tun so als würden sie nichts von unserem Gespräch mitbekommen. Aber irgendwann mal scheinen wir, Mamis, dann doch die Grenzen überschritten zu haben. Der eine Junge fängt an mit den Kochtöpfen herum zu schmeißen und Emil kommt zu mir und reicht mir mit einem schelmischen Lächeln eine Plastiktasse rüber.
„Oh, Danke Schatz, ist das Kaffee für mich?“, frage ich entzückt.
„Nein, Kacka!“, antwortet er, dreht sich um und läuft weg…
1:1 in den Töpfchenspielen.